Danyelle und ihre Kunden (6.2014)

Auf unserer Suche nach den Gründen, die zu Danyelle’s Entscheidung geführt haben, den Kontakt aus nichtigem Grund überraschend abzubrechen, müssen wir auch den breit gefächerten und vielschichtigen Kundenstamm berücksichtigen, den Danyelle seit dem Höhepunkt ihrer Escort-Tätigkeit (2011) bedient hat.

Aus ihren eigenen Erzählungen war bekannt, daß sie Kunden jedes Alters, jeder Bildungsgruppe und jeder Neigung empfangen hat, ein gewisser Schwerpunkt jedoch auf Personen lag, die altersmäßig deutlich über ihrem Alter angesiedelt waren. Während meiner Besuche bei Danyelle betonte sie stets, daß die meisten Kontakte zu ihren anderen Kunden bei weitem nicht so intensiv waren wie die Kontakte zu mir oder zu anderen „Primärkunden“, wie sie ihre Stammkunden bezeichnete. Diese Intensität ergab sich vor allem aus der Dauer meiner Besuche, die sich jeweils über volle 24 Stunden erstreckten. Auch während dieser vergleichsweise langen Zeit ergaben sich niemals problematische Situationen, wir verbrachten stets harmonische und abwechslungsreiche Stunden miteinander. Der Umgang war – wie im „Triebzug“ bereits beschrieben – von gegenseitigem Respekt und Anstand geprägt, wobei dies im Nachhinein relativiert werden muß, denn Danyelle sprach später von „Heuchelei“, was nahelegt, daß der respektvolle Umgang ihrerseits möglicherweise nur einem Zwang entsprungen ist, den sie mit ihrer Escort-Tätigkeit verbunden hat. Ich hingegen hatte – auch dies habe ich im „Triebzug“ bereits beschrieben – Danyelle stets wie ein „rohes Ei“ behandelt, ich ging stets behutsam, respektvoll und vorsichtig mit ihr um. Einen Grund zur Verärgerung oder zur Verstimmung wollte ich ihr auf keinen Fall liefern, entsprechend habe ich mich auch stets korrekt verhalten.

Allerdings war mir damals nicht bekannt, wie kompliziert und launenhaft ihr Charakter und ihre Persönlichkeit war. Daß sie offensichtlich unter ihrer globalen Lebenssituation litt, wurde zwar am Rande unserer zahlreichen Gespräche deutlich, ich hatte aber keinen Grund, die dargestellte Situation als dramatisch zu sehen, denn schließlich haben wir ja alle irgendwelche Probleme zu beklagen. Im Nachhinein kann angenommen werden, daß viele Schwierigkeiten, mit denen sie konfrontiert war, in ihrem launischen und teilweise unberechenbaren Verhalten, mit dem sie zahlreiche Mitmenschen vor den Kopf gestoßen hat, begründet lagen.

Die damals von ihr dargestellten Schwierigkeiten drehten sich sowohl um ihr privates familiäres Umfeld (insbesondere die Situation mit ihrem Sohn und das verlorene Sorgerecht), die damaligen negativen Erfahrungen in ihrer Schule, die sie im Oktober 2011 vorzeitig beendete (weil sie mit den dort geltenden pädagogischen Methoden nicht einverstanden war) oder vereinzelt auch um den Umgang mit manchen Kunden. Oft genug bin ich während meiner Besuche Zeuge von Kundenanrufen geworden, in denen Danyelle die Interessenten brüsk abgekanzelt hat, entweder weil die Ansprache der Kunden in irgendeiner Weise nicht angemessen war oder Danyelle sonst irgendwelche Hinderungsgründe für ein zufriedenstellendes Treffen erkannt hatte.

Damit stellt sich erneut die Frage, welchen Zweck diese Begegnugen für Danyelle überhaupt darstellten. Sofern ihr die Übereinstimmung bestimmter Neigungen und Interessen wichtig war, liegt die Vermutung nahe, daß Danyelle ihre Gäste nicht nur zum reinen Gelderwerb, sondern primär zur Befriedigung ihrer eigenen sexuellen und menschlichen Bedürfnisse empfing. Zeitweise sprach Danyelle in diesem Zusammenhang selbst von „hedonistischen Tendenzen“, denen sie im privaten Rahmen auch anderswo, etwa im Kitkat-Club in Berlin, nachging, sofern es ihr die Zeit erlaubte. Die durchaus selektive Auswahl ihrer Sexpartner und auch die Art und Weise, wie sie sich Teile ihrer Stammkunden hinterher wieder entledigte, bekräftigt zumindest diese Annahme.

Dennoch dürfte Danyelle mit der permanenten Zurverfügungstellung ihrer Liebesdienste zumindest zeitweise überfordert gewesen sein. Oft genug hatte sie erwähnt, daß ihre natürliche Erregbarkeit (in ihren Werbeseiten präsentierte sie sich als „naturgeilen Ladyboy“) an ihre Grenzen gestoßen war, weshalb sie zeitweise Hilfsmittel wie Viagra oder Camagra einsetzte, um ihr Handwerkszeug funktionsfähig zu halten. Ich selbst machte mir diese Problematik nie so recht klar, und auch Danyelle mochte ich nie in der Rolle eines sexuellen Dienstleisters sehen, da sie offenbar auch Spaß an der Sache hatte und mir gegenüber auch immer wieder betonte, daß sie sich im Umgang mit mir ihre „Naturgeilheit“ bewahren konnte – ob diese Erklärung nun der Wahrheit entsprach oder aus heuchlerischen Motiven erfolgte (wie sie es später darstellte), kann ich nach allem, was später offenbar wurde, nicht abschließend beurteilen.

Ob sie auch mit allen anderen Kunden nur für eine begrenzte Zeit diesen „Spaß“ teilen konnte, ist eine Frage, die bis heute interessant bleibt, denn wir haben erfahren, daß die Halbwertszeiten in homophilen Sexbeziehungen sehr kurzfristig verlaufen, teilweise sogar einmalig sind. Daß ich es selbst auf 220 Stunden mit Danyelle gebracht habe, erfüllt mich zunächst mit einer gewissen Befriedigung, dennoch bleiben die quälenden Fragen nach dem Warum. Und es wäre auf jeden Fall schöner gewesen, wenn ich auf 2200 Stunden mit Danyelle hätte zurückblicken können, doch das Schicksal wollte es anders.

Vielleicht wurde sie aufgrund der Routine, die sich in diesem Gewerbe zwangsläufig einstellte, ihrer Lust und ihrer Kunden überdrüssig, und da sie dieses Gewerbe offenbar vorrangig zur Befriedigung ihrer eigenen menschlichen Belange betrieb, warf sie einige ihrer Interessenten kurzerhand hinaus, aus Gründen, die sie selbst nicht genau kannte. Es ist auch gut vorstellbar, daß Danyelle dem Leistungsdruck, der mit der Ausführung dieses Gewerbes verbunden war, auf Dauer nicht gewachsen war, denn ich erinnere mich noch gut an die Verstimmungen, die sich nach unserem Treffen im Dezember 2011 in Porta Westfalica über die gesamte Vorweihnachtszeit hinzogen und die Danyelle selbst mit „depressiver Krankheit“ zu erklären versuchte.

Da sie machohafte Kunden am Telefon stets ablehnte, liegt auch die Vermutung nahe, daß Danyelle es mit der Zeit leid war, von manchen ihrer Kunden zum „Sexobjekt“ degradiert zu werden. Mir gegenüber sprach sie davon, daß sie es als störend empfunden hatte, daß ich von ihr „besessen“ sei [„deine Besessenheit kotzt mich nur noch an“] (was allerdings nicht der Wahrheit entsprach, dies ist eines der zahlreichen Mißverständnisse und Fehlinterpretationen, die sich Danyelle von ihren „Beratern“ einreden ließ). Ich war allerdings nicht von ihr besessen, sondern nur in positiver Art von ihr angezogen, worin ich nichts Schlechtes sehen konnte. Und da sie mir auch die starke Intensität und Gefühlslastigkeit ankreidete, was in Bezug auf die Sexobjekt-Problematik einen weiteren Widerspruch darstellt, gehe ich davon aus, daß Danyelle in der Beurteilung von menschlichen Situationen sehr oft falsch gelegen hat – nicht nur im Umgang mit mir, sondern möglicherweise bereits im Umgag mit ihren Ex-Partnerinnen. Sie muß also entweder gefühlsmäßig enorm abgestumpft gewesen sein oder hat ihren Escort aus den vorgenannten Gründen im Hinblick auf die emotionale Professionalität nur halbherzig betrieben, womit gelegentliche katastrophale Verwicklungen zu Kunden und Freunden quasi vorprogrammiert waren.

Da sie die Vermeidbarkeit solcher katastrophaler Entwicklungen von vornherein ausblendete, ist davon auszugehen, daß Danyelle’s Verhalten einer krankhaften Zwanghaftigkeit entsprang, die durch die emotionale Abstumpfung in Kombination mit anderen Einflüssen begünstigt wurde.

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